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Hybrides Arbeiten – Baustein der Digitalen Transformation

Auf einmal waren wir hybrid.

Mit den Notwendigkeiten der Corona-Zeit kam das HomeOffice und damit die Remote-Arbeit in unser Arbeitsleben. Laut einer Studie der PwC aus dem Jahr 2021 [1] hatten vor dem Lockdown ca. 15% der Beschäftigten der Öffentlichen Verwaltung die Möglichkeit, mehr oder weniger häufig im HomeOffice zu arbeiten. Im ersten Lockdown waren es über 70%. Ein nicht geringer Teil der Beschäftigten (35%) war sogar vollständig im HomeOffice tätig. Nach dem Frühjahrslockdown sind die HomeOffice-Zahlen wieder zurückgegangen. Jedoch bei weitem nicht zu dem Vor-Corona-Stand. Die Mitarbeitenden „wollen nicht zurück zum Status Quo. 88% der Befragten wollen zukünftig mindestens genauso viel oder mehr im HomeOffice arbeiten.“ Wir sind in der hybriden Arbeitswelt angekommen. Unter hybrider Arbeit verstehe ich in dem nachfolgenden Text, dass Beschäftigte zeit- und ortsunabhängig (zusammen-)arbeiten.

Was für eine Veränderung. Unglaublich, was innerhalb weniger Wochen möglich war. Home-Office, mobiles, hybrides Arbeiten hat Einzug gehalten und ist jetzt die vielbenannte neue Normalität.

Ich kann mich gut erinnern, dass ich vor Corona zu jeder Besprechung beim Kunden vor Ort sein musste, egal ob Verwaltung, Unternehmen oder andere Organisation. Selbst für eine einstündige Sitzung war es eine Selbstverständlichkeit, ein, zwei oder mehr Stunden anzureisen. Besprechungen über Telefon waren oft unerwünscht, Videokonferenzsysteme im Alltag nicht im Einsatz.

Und dann kam der 16. März 2020. Innerhalb kürzester Zeit waren die Beschäftigten, da wo im Arbeitskontext möglich, im HomeOffice. Plötzlich passierte etwas, was vor Corona bei vielen undenkbar gewesen wäre. Heute bin ich überwiegend in meinem Büro und halte von da aus über Videokonferenzen den Kontakt mit meinen Kund:innen. Vor wenigen Tagen war ich nach recht langer Zeit mal wieder in Dresden beim Kunden vor Ort. Das war richtig schön. Zwischen den Büros hin- und herlaufen, schnell noch bei jemandem vorbeischauen und in der Kantine gemeinsam essen. Ich schätze die digitalen Möglichkeiten sehr, genieße aber auch solche Inseln des Analogen. Durch solche Erlebnisse spüre ich selbst, was so viele Menschen, die im hybriden Kontext arbeiten, aktuell bewegt.

In gut 250 Seminaren und Workshops habe ich mich in den letzten drei Jahren mit den Besonderheiten und Anforderungen der Hybriden Führung, Zusammenarbeit und Kommunikation beschäftigt. Ende März 2020 habe ich den ersten Workshop zur Selbstorganisation im HomeOffice durchgeführt. Es ging viel um Orientierung, wie können wir uns von heute auf morgen neu organisieren, was muss ganz grundsätzlich bei der Arbeit im HomeOffice beachtet werden.

In diesen ersten Wochen und Monaten wurden die Defizite in der Digitalisierung mehr als deutlich. Noch heute erlebe ich Teilnehmer:innen, die ohne Kamera in die Online-Veranstaltung kommen, weil sie keine entsprechende Ausstattung vom Arbeitgeber gestellt bekommen. Für ein Team von 10 Personen stehen drei Notebooks zur Verfügung, digitale Kollaborationswerkzeuge gibt es gar nicht. Das heißt: die Grundlage für das produktive hybride Arbeiten fehlt.

Doch über die drei Jahre konnte ich miterleben, wie sich trotz mangelnder Digitalisierung die Arbeitsweise und die Einstellung in den Organisationen veränderten. Die Technik wurde Schritt für Schritt aufgebaut, wenn auch immer noch viel zu langsam. Die Arbeit in Videokonferenzen wurde immer selbstverständlicher und immer selbstbewusster. So kamen in den ersten Workshops die Teilnehmer:innen immer 15 bis 30 Minuten früher in den Online-Raum, um die Technik zu testen. Ich musste sie intensiv unterstützen, um Kamera und Ton zum Laufen zu bringen. Bei einer nicht ganz unerheblichen Zahl an Teilnehmer:innen war eine Teilnahme mit Bild und/ oder Ton nicht möglich.

Heute kommen die Teilnehmer:innen auf die Minute genau in die Veranstaltung (oder sogar ein, zwei Minuten zu spät), Kamera und Ton laufen und es kann losgehen. Oftmals hatten sie vor dem Seminar schon eine Morgenrunde per Video. Es muss auch immer pünktlich Schluss gemacht werden, denn die Abendmeetings per Video stehen an.

Und so haben sich auch die Themen in meinen Trainings verändert. Die hybride Welt ist da. In den Seminaren diskutieren wir deshalb auch andere Fragestellungen als noch am Anfang:

  • Welchen Stellenwert hat die hybride Arbeit? Ist sie nur die kleine ungeliebte Schwester der analogen, traditionellen Welt oder ist sie gleichberechtigt und als vollwertig anzusehen?
  • Wie bewegen wir uns in der hybriden Arbeitswelt? Wie schaffen wir ein Arbeitsklima des Vertrauens, der Zusammengehörigkeit und des Miteinanders? Wie organisieren wir uns und unsere Arbeit im hybriden Team?
  • Wie gehen wir mit den Veränderungen seit der Corona-Zeit um: ein Meeting nach dem anderen, Vervielfachung der Kommunikation, Unübersichtlichkeit in Tools und Methoden, Verunsicherung bei Führungskräften, Mitarbeitenden und Organisationen?
  • Wie viel Analoges brauchen wir in der hybriden Arbeitswelt? Wie viel Digitales ist zu viel?

Mit all diesen Fragen bewegen wir uns weg von der Technik und dem operativen Doing. Wir bewegen uns in die tieferen Schichten des Digitalisierungseisbergs. Wir sprechen über Glaubenssätze, Werte, Haltung, Bedürfnisse, Motivationen, Widerstand etc. Natürlich geht es auch um die Gestaltung der veränderten Arbeit in der hybriden Welt, die Digitalisierung der Arbeitsabläufe im Team durch die Nutzung digitaler Werkzeuge wie Chat-, Task- oder Kollaborationstools. Das Menschliche im hybriden Raum spielt jedoch in der Wahrnehmung eine immer größere Rolle.

Hybride Arbeit gehört zur Digitalen Transformation.

Hybride Arbeit ist mehr als nur zwei, drei oder mehr Tage im HomeOffice arbeiten. Es ist mehr als nur ein Notebook, eine Kamera und ein Video-Werkzeug. Hybride Arbeit ist eine tiefgreifende Veränderung unserer Arbeitswelt. Durch die hybride Arbeit und der damit verbundenen Einführung von IT-Werkzeugen verändern wir unsere Zusammenarbeit, Kommunikation, Führung und Organisationskultur.

  • Zusammenarbeit: Die Mitarbeiter:innen einer Organisation sehen sich nicht mehr regelmäßig und in den gewohnten Strukturen des Büroalltags. Abstimmungen, kurze Gespräche, die berühmten Teeküchenmomente fallen weg. Anwesenheit als Leistungsmerkmal funktioniert nicht mehr. Die Zusammenarbeit im Team muss neu gestaltet werden. Die wegfallenden Strukturen des gemeinsamen Büroalltags müssen durch neue Strukturen mit digitaler Unterstützung ersetzt werden. Jede:r Einzelne wird mit Selbstorganisation und Selbststeuerung mehr in die Verantwortung genommen. Das Team muss über die hybride Distanz hinweg mehr dafür tun, ein Team zu bleiben.
  • Kommunikation: Für unsere hybride Kommunikation auf Distanz brauchen wir IT. Mit der IT bekommen wir neue beziehungsweise veränderte Möglichkeiten für eine Kommunikation auf Distanz, beispielsweise die asynchrone Kommunikation über Chats. Die neuen Kommunikationswege und
    -werkzeuge müssen in ihrem Prinzip verstanden, bedient und in die Prozesse und -strukturen integriert werden. Mit den neuen Möglichkeiten und Anforderungen verändert sich unser Kommunikationsverhalten. So wird beispielsweise in meinem Umfeld kaum noch telefoniert. Aber der Satz „Komm, wir schalten uns mal schnell zusammen“ fällt immer öfter und immer selbstverständlicher. Zum Telefonieren verabredet man sich dagegen.
  • Führung: Um Svenja Hofert zu zitieren, heißt Führung „Bestimmung der Richtung von Bewegung sowie die erfolgreiche Einflussnahme in kritischen Momenten ohne Richtung.“ Für die hybride Arbeit muss erst einmal eine Richtung gefunden werden. Neue Rahmenbedingungen brauchen neue Orientierung. Die hybride Arbeit erfordert zudem andere Werkzeuge und veränderte Verhaltensweisen für die Richtungsgebung. Mit Command and Control kommen wir nicht weiter. Wir brauchen Vertrauen, Entwicklung, Fehlertoleranz und vieles mehr, das Führungshaltung und Führungskultur verändert.
  • Organisationskultur: In einem Seminar rekapitulierte ein:e Teilnehmer:in für sich, dass durch die Mitarbeiter-App ein:e Sachbearbeiter:in einfach den Post des Oberbürgermeisters kommentieren kann. Dazwischen sind kein Sachgebiets- oder Abteilungsleiter:innen und keine andere Hierarchieebene. Es findet eine direkte Kommunikation, ein direkter Dialog über die Organisations- und Hierarchieebenen hinweg statt. Ein treffendes Beispiel für die Veränderung in der Organisationskultur durch die Digitalisierung und die hybride Arbeit.

Hybride Arbeit gehört zur Digitalen Transformation. Deshalb werde ich in meinen nachfolgenden Überlegungen auch immer wieder Bezug darauf nehmen. Ich werde sicherlich auch das eine oder andere Mal den Digitalisierungseisberg bemühen. Diesen Bezug finde ich wichtig, um die Integration von hybrider Arbeit in der gesamten Komplexität zu beleuchten.

Hybride Arbeit in fünf Themenfeldern: OSEK-V

Meine Gedanken und Erfahrungen aus den vielen Seminaren und Workshops zur hybriden Arbeit habe ich in meinem Modell OSEK-V zusammengefasst. OSEK-V beinhaltet fünf Themenfelder der hybriden Arbeit:

  • Orientierung
  • Struktur
  • Entwicklung
  • Kommunikation
  • VERTRAUEN

OSEK-V: Hybride Arbeit braucht Orientierung

Die Einführung von hybrider Arbeit ist ein Veränderungsprozess. Mit Veränderung kommen Verunsicherung und Ängste, aber auch Begeisterung und Tatendrang. Transformation beziehungsweise Veränderung müssen gestaltet und Jede:r nach seinen Bedürfnissen, Stärken und Kompetenzen in diese Veränderung einbezogen werden. In der Veränderung brauchen die Beteiligten Orientierung und Richtung.

In der hybriden Arbeit reduzieren sich die persönlichen Begegnungen der Menschen. Wir sehen uns zwar unglaublich oft auf dem Bildschirm. Aber diese Begegnungen werden meistens sehr formal, sachbezogen gestaltet. Das Menscheln kommt dabei viel zu kurz. Das Nicht-Spüren, Nicht-Zusammensein führt durch fehlende nonverbale Kommunikation tendenziell zum Auseinanderdriften von Gruppen und Teams. Auch hier brauchen wir Orientierung  für uns und unsere Umgebung.

Die Zugehörigkeit zur eigenen Organisation, die immer wieder Nahrung bekommen muss, geht in der hybriden Arbeit ein Stück verloren. Die Menschen sitzen in ihrer Remote-Arbeitsumgebung, kommen ein, zwei Tage ins Büro und erleben ihre Organisation nur noch aus der Ferne. Nicht nur die Bezugsgruppen und das eigene Team müssen für die Beschäftigten erlebbar bleiben, auch die Gesamtorganisation. Diese fehlende Verbindung zwischen den Menschen und der Organisation braucht wiederum Orientierung. Wie arbeiten wir miteinander, wohin gehören wir, wer sind wir in der Organisation?

In meinen Seminaren ist die am meisten gestellte Frage: „Wie kann ich den Teamzusammenhalt aufrechterhalten und verhindern, dass sich die Menschen zurückziehen?“ Eine von vielen Antworten auf diese Frage ist: Orientierung geben, Zugehörigkeit schaffen.

Das Themenfeld Orientierung möchte ich unterteilen in:

  • Vision
  • Identifikation
  • Teamentwicklung

Vision für hybride Arbeit

Für das Veränderungs- und Transformationsmanagement ist die konkrete Vorstellung von der veränderten Zukunft wesentlich. Das Wort klingt zwar schon abgegriffen und ich erlebe oft ein Augenverdrehen, wenn ich es verwende. Ich nutze es hier trotzdem, weil es letztendlich genau das ausdrückt, was gebraucht wird. Wir benötigen eine Vision von unserer neuen, hybriden Arbeitswelt.

  • Was bedeutet hybrides Arbeiten und wie sieht unsere hybride Arbeitswelt der Zukunft aus?
  • Wofür wollen wir hybride Arbeit?
  • Wofür hybrid und warum nicht vollständig analog oder digital?
  • Was ist überhaupt anders? Warum machen wir nicht alles wie bisher?

Diese Vorstellung von der Zukunft gibt Orientierung. Sie gibt eine Richtung, wohin die Reise überhaupt gehen soll. Aus der Vision kann ein Ziel- und Handlungsrahmen abgeleitet werden, in dem sich alle bewegen, um die Veränderung zu gestalten beziehungsweise umzusetzen.

In meinen Seminaren bitte ich die teilnehmenden Führungskräfte oft, ihre Vorstellung von hybrider Führung und hybrider Zusammenarbeit in ihrer Organisation, ihrem Bereich oder ihrem Team zu beschreiben. Die Antworten sind sehr ähnlich. Viele haben sich darüber noch gar keine Gedanken gemacht. Mit Corona sind ja alle mehr oder weniger in die mobile und dann hybride Arbeit reingestolpert. Andere bleiben eher im operativen Hier und Jetzt, schauen weniger auf die langfristige Gestaltung der hybriden Arbeitswelt. Ich denke, hier müssen Organisationen, Führungskräfte und Teams klarer für sich werden, was sie anstreben und wie sie die Zukunft in der hybriden Welt gestalten wollen. Das schafft Verbindung und Orientierung. Es stellt einen wichtigen Baustein der (digitalen) Transformation dar.

Es gibt viele Möglichkeiten und Methoden, an der gemeinsamen Vision zu arbeiten:

  • Teamworkshops zur Visionsarbeit
  • Zukunftskonferenzen
  • Zukunftssprung (eine Methode meiner sehr geschätzten Coachin Christine Neumann)
  • Kreativitätsarbeit zur Visualisierung der Vision
  • asynchrone Beteiligungsformate etc.

Eine gemeinsame Vision, die emotionalisiert und auch im Team, der Gruppe oder der Organisation trägt, kann Leitplanke und Anker sein bei allem Unbekannten und allen Unsicherheiten. Sie gibt Orientierung, wohin und warum sich die Organisation bewegt.

Identifikation in der hybriden Arbeit

Teams laufen auseinander, Mitarbeitende sind zu Hause und sehen ihr Büro nur noch ein paar Tage im Monat. Wir brauchen Identifikation mit der eigenen Organisation und dem Team. Wir arbeiten nicht nur für irgendwen. Wir arbeiten genau für diese Organisation, wir arbeiten genau in diesem Team.

Im Präsenzraum kann die Identifikation über äußere Strukturen unterstützt werden. Diese Strukturen fallen hybrid ganz oder teilweise weg. Wie schaffen wir trotz Distanz Identifikation?

  • Der erste Schritt ist die Wahrnehmung, dass Identifikation notwendig ist und dass Identifikation im hybriden Raum sinken kann. Wir müssen etwas dafür tun. Identifikation ist keine Selbstverständlichkeit.
  • Eine gemeinsame Vision, gemeinsame Ziele und Werte schaffen Identifikation (siehe oben).
  • Eine wahrnehmbare Mission der Organisation, hinter der sich die Menschen stellen können, schafft Identifikation. Wofür gibt es uns eigentlich als Organisation, auch als Gruppe, als Team?
  • Beteiligung, Wertschätzung, Vertrauen schaffen Identifikation.
  • Neue hybride Rituale, Regeln, Orientierungspunkte schaffen Identifikation.
  • Gemeinsam über Identifikation und Zugehörigkeit sprechen, schafft bereits Identifikation.

Im ersten Anstrich sagte ich es bereits: Das Wichtigste ist, überhaupt erst einmal eine Wahrnehmung für die Bedeutung und die Notwendigkeit des Themas zu haben. Wenn diese Wahrnehmung besteht, kann auch gemeinsam daran gearbeitet werden.

Teamentwicklung in der hybriden Zusammenarbeit

Teamentwicklung umfasst die gemeinsame Arbeit an Abläufen, Strukturen und Dynamiken, um gemeinsame Ziele zu kennen und zu erreichen. Teamentwicklung greift auch wieder die Aspekte von Vision und Identifikation auf. Teamentwicklung ist ein laufender Prozess und wird nicht zu einem Zeitpunkt x abgeschlossen. Ein gut funktionierender Orientierungsrahmen für Teamentwicklung ist ein Teamcanvas.

In der hybriden Welt kommt durch die äußeren Veränderungen sehr viel Bewegung in die Teams. Strukturen fallen weg, das gewohnte Zusammensein ist nicht mehr gegeben, Anforderungen verändern sich. Die äußeren Veränderungen bedürfen auch einer Veränderung innerhalb eines Teams. Regeln müssen neu verhandelt, Bedürfnisse, beispielsweise nach Nähe und Distanz, neu berücksichtigt, Stärken neu gefordert und Kompetenzen neu aufgebaut werden. Die Liste ist lang.

Ein erster Schritt in der Teamentwicklung im Kontext der hybriden Arbeit ist die Wahrnehmung, welche Herausforderungen durch die Veränderung an die Teams gestellt werden. Die Herausforderungen lösen sich nicht einfach so auf. Das Motto, das wird sich schon alles ergeben, kann für Teams zur Falle werden. Vieles ergibt sich eben nicht einfach so, sondern bedarf eines Austauschs und einer bewussten gemeinsamen Bearbeitung.

Ich frage in fast jedem meiner Seminare, ob die Teams denn die letzten drei Jahre und die dabei durchlaufenen Veränderungen reflektiert haben. Ein Retrospektive zu dieser Phase ist sehr wertvoll und erkenntnisreich. Einige Teams durfte ich in den letzten Jahren dabei begleiten. Diese Teams sind aus den Retrospektiven mit vielen neuen Erkenntnissen und vor allem mit einer großen Klarheit für ihre gemeinsame hybride Zusammenarbeit und die notwendige Veränderung gekommen.

Diesen Rückblick und den damit verbundenen Blick nach vorn gibt es in noch viel zu wenigen Teams. Meistens ist die fehlende Zeit der Grund dafür. Ich denke dabei oft, dass die Zeit für eine solche Team-Restropektive wahrscheinlich viel Zeit in der Zukunft sparen kann. Das ist das Sägeschärfen für unsere hybride Arbeit, um nicht mit der stumpfen Säge und viel Kraftaufwand mehr vom Gewohnten in die hybride Welt zu übertragen. Ich höre einfach viel zu oft, für so etwas haben wir keine Zeit und auch kein Geld, das ist doch nicht notwendig etc. Gleichzeitig wird dann aber die Frage gestellt, wie das Team wieder näher zusammenwachsen kann. Antwort: unter anderem mit Teamentwicklung. Der Beginn kann eine gut moderierte Retrospektive sein. Die Zeit, die in die Teamentwicklung fließt, wird später durch geringeren Kommunikationswirrwarr, beim Mehraufwand in der Aufgabenbearbeitung und in der Konfliktbewältigung eingespart.

OSEK-V: Hybride Arbeit braucht Struktur

Kommen wir zum zweiten Themenkomplex aus meinem Modell OSEK-V: Struktur.

Die Autorinnen Joana Breidenbach und Bettina Rollow erläutern in ihrem Buch New Work needs inner Work [2] anhand des AQAL-Modells, wie sich aufgrund verändernder oder wegfallender äußerer Strukturen innere Strukturen verändern. So schreiben sie „… Feste Regeln, Ansagen und Prozessabläufe geben uns Halt und Orientierung. Sobald diese jedoch wegfallen, müssen wir in der Lage sein, Sicherheit und Orientierung in uns selbst und im Dialog mit den anderen zu finden.“ Ergänzen möchte ich diese Aussage im Kontext der hybriden Arbeit noch mit dem Gedanken, wegfallende Strukturen auch durch neue beziehungsweise veränderte Strukturen zu ersetzen, die den neuen Anforderungen und Rahmenbedingungen der hybriden Arbeitsform entsprechen.

Mit der Einführung der hybriden Arbeit fallen viele äußere Strukturen für das Team, aber auch für jede:n Einzelne:n weg. Zwei Beispiele dafür:

  • Den gemeinsamen Büroalltag von vor Corona gibt es in der hybriden Arbeit nicht mehr. Keine gemeinsamen Pausen, keine kurzen Abstimmungen über den Monitor hinweg, keine offenen oder geschlossenen Bürotüren als Zeichen von Anwesenheit und Ansprechbarkeit.
  • Auch den individuellen Büroalltag gibt es im HomeOffice nicht mehr: keine An- und Abfahrtswege als Übergangsphasen zwischen Arbeit und Privat, keine von außen gegebenen Pausenstruktur, keine von außen unterstützte Vermeidung von Prokrastination, keine vorgegebene Struktur zur Beendigung des Arbeitstages.

Mit der hybriden Arbeit müssen äußere und innere Strukturen für die Gruppe und für jede:n Einzelne:n überdacht und neugedacht werden. Den Themenbereich Struktur möchte ich deshalb unterteilen in:

  • Vereinbarungen, Regeln und Abläufe
  • Haltung schlägt Tool
  • Werkzeuge

Vereinbarungen, Regeln und Abläufe für die hybride Arbeit

In der neuen Form der Zusammenarbeit, die wir seit zwei, drei Jahren „üben“, brauchen wir Vereinbarungen, wie wir zusammenarbeiten wollen. Für den analogen Raum haben wir diese Vereinbarungen und Regeln. Wir wissen genau, wie wir in einer Präsenzsitzung zusammenarbeiten, wie wir auf Fragen reagieren, wie wir Wortmeldungen einbringen können etc. Wir wissen, wie wir Transparenz darüber schaffen, dass wir im Büro sind, dass wir ansprechbar sind, wie wir uns in die Pausen verabschieden. Wir haben fest verankerte Muster, wie der Arbeitstag strukturiert, begonnen und abgeschlossen wird.

Meine Workshop-Teilnehmer:innen berichten oft, dass sich die Vereinbarungen, Regeln und Abläufe für die hybride Zusammenarbeit meistens so im Laufe der Zeit ergeben haben. Ob diese Vereinbarungen funktionieren oder ob etwas fehlt, wurde nie im Team besprochen. Vielfach wurden die analogen Vereinbarungen und Abläufe in den hybriden Raum überführt. Analog und hybrid unterscheiden sich aber an vielen Stellen.

Organisationen, Gruppen, Teams sollten sich darüber austauschen, wie sie im hybriden Raum zusammenarbeiten wollen. Dabei reicht eine alleinige Festlegung des HomeOffice-Anteils und wie man diesen beantragt nicht aus. Es sollte offen diskutiert werden, wie die Zusammenarbeit im hybriden Raum gestaltet werden soll und welche Regelungen als Grundlage festgelegt werden:

  • Wie schaffen wir Transparenz über An- und Abwesenheit, Verfügbarkeit, Aufgabenzuweisungen, Arbeitsstände?
  • Wie arbeiten wir in hybriden Sitzungen zusammen?
  • Wie informieren und kommunizieren wir im hybriden Raum, so dass Informationen für alle gleichberechtigt verfügbar sind?
  • Wie halten wir im hybriden Raum Kontakt und stärken unsere Beziehungsebene?

Zur Erarbeitung eines Regelwerkes kann auch hier eine Retrospektive der letzten Monate und Jahre hilfreich sein. Es wurden ja bereits viele Erfahrungen gesammelt. Auszuwerten, was davon gut funktioniert hat, was nicht und was fehlt, bietet eine fundierte und sehr praxisorientierte Grundlage.

Bei der gemeinsamen Erarbeitung des Regelwerkes sollten sich Organisationen, Gruppen und Teams auch immer wieder die Fragen stellen:

  • Machen wir die Dinge richtig?
  • Machen wir überhaupt noch die richtigen Dinge?
  • Sollten wir in der hybriden Welt etwas ganz Anderes machen?

Haltung schlägt Tool – Knackpunkt in der hybriden Arbeit

Mit HomeOffice beziehungsweise Remote-Arbeit bekommen wir eine hohe Flexibilisierung unserer Arbeitswelt. Wir können selbst bestimmen, wann wir arbeiten und wo wir arbeiten, natürlich unter Berücksichtigung der organisatorischen Regelungen. Aber grundsätzlich bietet uns das hybride Arbeiten einen hohen Grad an Freiheit und weniger von außen vorgegebene Struktur.

Freiheit bedeutet auch Verantwortung:

  • Verantwortung für uns selbst, so dass unsere Arbeit nicht entgrenzt und wir unsere Bedürfnisse im hybriden Team einbringen.
  • Verantwortung für unsere Leistung, so dass wir unsere Aufgaben und Ziele auch im HomeOffice erfüllen.
  • Verantwortung für unsere Selbststrukturierung und Selbstorganisation, um die äußeren organisatorischen Strukturen durch eigene Strukturen zu ersetzen.
  • Verantwortung für unser Team, unsere Kolleg:innen, unsere Organisation. Denn so wie ich mich einbringe, kann sich mein Umfeld auch entwickeln.

Mit dem Wegfall der äußeren Strukturen müssen wir neue innere Strukturen aufbauen. Entsprechend dem AQAL-Modell heißt das auf individueller Ebene die Entwicklung von Haltung und Psyche, auf kollektiver Ebene die Entwicklung von Kultur. Haltungs- und Kulturarbeit ist ein langfristiger Prozess. Ich wiederhole mich, wenn ich auch hier wieder sage, dass der erste Schritt die Erkenntnis und Wahrnehmung dieser Notwendigkeit ist.

Haltung schlägt Tool bedeutet für mich, dass die Arbeit an den äußeren Strukturen nicht ausreicht. Zu den äußeren Strukturen zähle ich auch Tools beispielsweise aus dem Umfeld Zeitmanagement und Selbstorganisation. Es geht nicht um schneller, höher, weiter. Nicht um Selbstoptimierung. Um in der hybriden Welt gesund und erfolgreich zu arbeiten, sowohl als Individuum als auch als Kollektiv, brauche ich Resilienz, Selbstverantwortung und Selbstreflexion. Es braucht also auch Arbeit an den inneren Strukturen.

Werkzeuge für die hybride Arbeit

Chats, TaskBoards, WhiteBoards, Umfrage-Werkzeuge, gemeinsame Dokumentenbearbeitung und so weiter, und so fort. In den letzten Jahren wurden viele neue Werkzeuge in den Organisationen eingeführt, manchmal als Einzelkomponenten, manchmal integriert in einer Plattform.

Ich selbst arbeite in meinem kleinen Team auch mit einigen dieser Tools. Ich habe selbst erlebt, und das im wirklich sehr kleinen Maß, dass die Nutzung der Werkzeuge für Mitarbeiter:innen eine Herausforderung sein kann. Die erste, aber deutlich kleinere Herausforderung war die Bedienung der Werkzeuge. Dieser Herausforderung kann schnell begegnet werden. Es gibt so viele Tutorials, Online-Schulungen etc., dass man sich auch mit wenig IT-Kenntnis die Funktionalität der Werkzeuge schnell aneignen kann.

Die viel größere Herausforderung war das Prinzipienverständnis für diese Werkzeuge. Hier sind Prozessdenken, Organisationskompetenz, kollaborative Arbeitskultur und vieles mehr erforderlich. Wir haben in unserem kleinen Team viel probiert, diskutiert, angepasst und auch wieder verworfen, was nicht zu uns passte. Wir haben ein gemeinsames Verständnis dafür entwickelt, wofür wir die Werkzeuge nutzen wollen. Bei einigen ist klar geworden, dass wir sie für unsere operative Arbeit gar nicht sinnvoll einsetzen können. Wir behalten sie nur, um praktische Hinweise in unseren Workshops und Schulungen geben zu können. Allein diese gemeinsame Erkenntnis hat Akzeptanz bei allen erzeugt, wo vorher Unverständnis und auch Unwille war. Andere Werkzeuge sind integraler Bestandteil unserer veränderten hybriden Kommunikation und Zusammenarbeit geworden. So wollen mein Team und ich beispielsweise unser Taskboard-Tool nicht mehr missen.

Mein Erleben in anderen Organisationen und in meinen Trainings unterstützt meine Erfahrung aus unserer Miniblase azc: viele neue Werkzeuge, Informationskonfusion und Informationsoverflow, Überforderung und Unverständnis.

Hybrides Arbeiten braucht IT-Unterstützung. Es reicht aber nicht, die IT-Werkzeuge zur Verfügung zu stellen und jede:r soll loslegen. Es braucht einen organisatorischen Unterbau, der die Prinzipien dieser Werkzeuge berücksichtigt und das Potential ausschöpft. Ein Beispiel zum Verständnis: Bei der Einführung eines Chat-Werkzeuges in der Organisation sollten unter anderem folgende Fragen beantwortet werden:

  • Wie ist unsere Informations-/ Kommunikationsstruktur?
    • Welche Probleme erkennen wir in der aktuellen Struktur?
    • Welche Anpassungen sind für den hybriden Raum erforderlich?
    • Wie passt das Chat.Werkzeug in unsere aktuelle Informations-/ Kommunikationskultur sowie in in unsere Tool-Landschaft?
  • Wofür wollen wir dieses Werkzeug nutzen?
    • Was wollen wir damit erreichen?
    • Was wollen wir damit nicht erreichen?
    • Welche Informationen kommen (nicht) in das Werkzeug?
  • Welche Kommunikationsregeln vereinbaren wir für die Nutzung des Werkzeuges?
  • Aus welchen anderen Werkzeugen ziehen wir Informationen ab und verlagern sie in das neue Werkzeug?
    • Reine Sachinformationen können beispielsweise in den Chat verlagert. Damit kann Sitzungen und Sitzungsinhalte neu gestalten.
    • Asynchrone inhaltliche Diskussionen werden nicht mehr per Mail geführt, sondern im Chat.
  • Wie strukturieren wir den Informationsfluss und die Kommunikation mit diesem Werkzeug?

All diese Fragen und noch einige mehr haben erst einmal relativ wenig mit dem jeweiligen Werkzeug-Produkt und dessen konkreter Funktionalität selbst zu tun. Sie beziehen sich auf die Organisation, auf Struktur und auf die Werkzeugprinzipien.

Für die hybride Arbeit ist es wichtig, Ordnung in die neue Werkzeugwelt zu bringen, Struktur zu schaffen und damit auch Orientierung. Weniger ist am Anfang sicherlich mehr. Wichtiger ist die effiziente und effektive Nutzung der Werkzeuge und die sinnvolle Integration der Werkzeuge in die bestehende Struktur. Dann schaffen Werkzeuge auch Mehrwert und bekommen Akzeptanz bei den Mitarbeitenden.

Wir hatten gerade „Haltung schlägt Tool“. Ich wiederhole es hier. Wenn die Haltung beziehungsweise die Kultur einer Organisation gar nicht zu einem Tool passt, dann wird das Tool nicht den erhofften Nutzen bringen. Wenn in der Kultur Kooperation und Transparenz nicht gelebt wird, wird ein Chatwerkzeug wahrscheinlich nie richtig akzeptiert.

OSEK-V: Hybride Arbeit braucht Entwicklung

Kommen wir zum dritten Themenbereich von OSEK-V. In der hybriden Zusammenarbeit kommt viel Neues, Ungewohntes auf die Mitarbeiter:innen zu. Das sind nicht nur die technischen Werkzeuge. Schon das ist Herausforderung genug. Neben der Technik muss auch die neue Arbeitsweise verstanden, neue Prinzipien der Zusammenarbeit verinnerlicht werden. Mit der Etablierung der hybriden Arbeit in der Organisation muss auch der Baustein Entwicklung berücksichtigt werden. Das Themenfeld Entwicklung habe ich in die drei Aspekte unterteilt:

  • Lernen
  • Feedback
  • Fehlerkultur

Lernen für hybrides Arbeiten

Hybride Arbeit bringt viel Neues. Einiges davon können wir bereits. Vieles müssen wir lernen. Manchmal wissen wir auch noch gar nicht, was wir nicht wissen, was wir noch lernen müssen. Gutes Beispiel ist für mich die hybride Kommunikation. Kommunikation ist in der Organisation fest verankert. Was soll sich denn so groß an den etablierten Strukturen verändern? Dann kommt eben zu Telefon und E-Mail auch noch ein Chat dazu. Dass der Chat einen Teil der „alten“ Kommunikation ablöst, einer anderen Kommunikation bedarf und eine andere Kommunikationskultur unterstützt, wird zunächst gar nicht wahrgenommen.

Welche Kompetenzen und Fähigkeiten sind für die hybride Arbeit notwendig:

  • verteiltes Arbeiten
  • verteilte Teamarbeit
  • Hybride Führung
  • Selbstmanagement, Selbstorganisation
  • Organisationsentwicklung für die hybride Arbeit
  • Veränderungs- und Transformationsmanagement
  • Hybride Kommunikation
  • Technische Kompetenz für die Werkzeugnutzung etc.

Für die Einführung der hybriden Arbeit müssen Lernangebote für die unterschiedlichen Ziel- und Bedarfsgruppen verfügbar sein. Bei Lernangeboten denken die meisten wahrscheinlich an eine Schulung, am besten in Präsenz. Das kann ein wichtiger Baustein im Lernprogramm für die Hybride Arbeit sein. Beim Thema Lernen denke ich auch an:

  • Kontinuierliches Lernen durch Coachings und laufende Begleitung
  • Teamentwicklungsmaßnahmen für die Gestaltung hybrider Teams
  • Vernetzungs- und Austauschformate für Mitarbeitende und Führungskräfte
  • Asynchrone Lernformate wie Chatplattformen
  • Reflexionsmöglichkeiten zur Überprüfung des Erlernten und zum Erkennen von Lücken
  • Und vor allem: Zeit zum Lernen

Kleine Zwischenbemerkung: Meine Schulungen im Kontext von hybrider Arbeit mache ich nur im Online- beziehungsweise im hybriden Raum. Eine reine Präsenzveranstaltung zu diesem Thema ist für mich fast widersinnig.

Feedback in der hybriden Arbeit

„Nicht gemeckert ist Lob genug.“ Wenn ich diesen Satz in meinen Veranstaltungen ausspreche, nicken und lächeln die meisten. Dieser Satz ist leider noch in viel zu vielen Organisationen Alltag.

Anerkennung geben ist eine Kunst, die viel zu wenige Führungskräfte beherrschen. Für mich ist auch eine wertschätzende, konstruktive Kritik eine Form von Anerkennung. Denn damit lerne ich, bekomme andere Perspektiven und habe die Möglichkeit für Entwicklung. Anerkennung beziehungsweise Feedback annehmen ist natürlich auch eine Kunst, die gelernt sein will. Für die Etablierung der hybriden Arbeit brauchen wir Feedback. Feedback ist Teil des Lernprozesses. Feedback zeigt, was funktioniert und eben auch, was nicht funktioniert. Feedback gibt es nicht nur von oben nach unten, sondern auch von unten nach oben und von Seite zu Seite.

Konkret auf die hybride Arbeit bezogen bedeutet Feedback:

  • Regelmäßiges Feedback im Team:
    • Wie funktioniert unsere hybride Zusammenarbeit?
    • Was funktioniert, was nicht, was machen wir neu?
  • Regelmäßiges Feedback der Mitarbeiter:innen an die Führungskraft:
    • Was brauchen die Mitarbeiter:innen von der hybriden Führung?
    • Wo brauchen die Mitarbeiter:innen Richtung, Orientierung und Entscheidung?
    • Führung ist teilbar: Welche Führungsaufgaben können in das Team delegiert werden?
  • Regelmäßiges Feedback der Führungskraft an die Mitarbeiter:innen:
    • Was braucht die Führungskraft für die hybride Zusammenarbeit und Führung?
    • Wo ist Orientierung, Richtung und Entscheidung notwendig?
    • Wo ist mehr Selbstverantwortung und Selbststeuerung der Mitarbeiter:innen gewollt, sinnvoll und notwendig?

Feedback kann immer und überall gegeben werden. Gerade in Veränderungssituationen, wie der Einführung von hybrider Arbeit, sollte es so viel Feedback wie möglich geben. Bitte nicht nur auf das jährliche Mitarbeiter:innen-Vorgesetzten-Gespräch beziehen. Wie kann regelmäßiges, ritualisiertes Feedback im Team etabliert werden:

  • Regeln für’s Feedback-Geben und -Nehmen vereinbaren
  • Regelmäßiges Check-In und Check-Out in Besprechungen und Team-Meetings
  • Regelmäßige informelle Feedbackgespräche
  • Regelmäßiges Einfordern von Feedback von unten nach oben, von oben nach unten und lateral
  • Kommunikationskanäle für Feedback schaffen, beispielsweise Chat-Kanal
  • Feedback-Tools einsetzen, beispielsweise KudoBox oder Drei Kieselsteine für Anerkennung und Feedback

Nun wiederhole ich mich wieder: Auch hier gilt, redet miteinander und stimmt gemeinsam ab, wie Eure Feedback-Struktur und -Kultur für die hybride Arbeit gestaltet werden kann.

Fehlerkultur für die hybride Arbeit

Wer schon einmal in einem meiner Trainings oder Workshops war, kennt meine Sprücheschilder, die ich entweder in die Kamera halte oder an die Wände unseres Seminarraumes pinne. Zu meinen Lieblingsschildern gehört „Scheiter heiter.“ Die meisten lächeln, wenn sie den Spruch hören. Ich sehe aber manchmal auch Irritation, Unverständnis und Unwille.

Meine erste Coachin hat immer gesagt, jeder Fehler wird mit Applaus begrüßt. Das hat sich tief bei mir eingeprägt. Ich würde gern manchen Fehler vermeiden, weil ich diesen Antreiber von „richtig machen“ und „perfekt sein“ in mir trage. Ich habe jedoch in den letzten Jahren „Scheiter heiter“ immer mehr verinnerlicht und erkenne das Potential dieser Haltung. Also werden Fehler begrüßt, auch wenn sie schmerzhaft sind. Und es muss ja auch nicht immer mit Applaus sein.

Scheiter heiter oder etwas seriöser „Wir brauchen eine gute Fehlerkultur“ lässt sich schnell sagen. Die meisten Organisationen würden das auch sofort unterschreiben. Bei der Einführung der hybriden Arbeit wird diese Aussage aber auf eine harte Probe gestellt. Beim Aufbau der neuen Kompetenzen, der neuen Strukturen, der neuen Führung und Zusammenarbeit werden Fehler gemacht. Dazu haben wir noch viel zu wenige Erfahrungen mit dieser neuen Arbeitsform. Nur – wie fehlertolerant ist eine Organisation tatsächlich? Wie viel ausprobieren, experimentieren, wie viel Un-Perfektionismus wird zugelassen für die Etablierung der hybriden Arbeit?

Im Kontext Fehlerkultur können folgende Fragen gestellt werden:

  • Was ist eigentlich eine gute und offene Fehlerkultur?
  • Wo stehen wir aktuell?
  • Was brauchen wir an Strukturen, Kompetenzen und Fähigkeiten für unsere Fehlerkultur?
  • Wie erlernen wir die Kompetenzen für eine offene und echte Fehlerkultur?
  • Wie schaffen wir einen Rahmen für offenes Feedback, für Ausprobieren und Experimentieren, für un-perfekte Lösungen?
  • Wie integrieren wir Anerkennung und Feedback in unseren Alltag?
  • Wie ermöglichen wir eine kontinuierliche Reflexion der Veränderung?
  • Wie ermöglichen wir offenen Umgang mit Fehlern und Scheitern?

Alle Themenbereiche von OSEK-V hängen eng miteinander zusammen und bedingen einander. Diese Abhängigkeiten will ich nicht immer wieder benennen. Aber an dieser Stelle möchte ich auf die Verbindung von Fehlerkultur und Vertrauen doch besonders hinweisen. Ohne echtes Vertrauen wird Fehlerkultur nicht leben. Wenn an der Fehlerkultur gearbeitet wird, muss Vertrauen als Basis vorhanden und auch gepflegt werden.

OSEK-V: Hybride Arbeit braucht Kommunikation

Der vierte Themenbereich von OSEK-V beschäftigt sich mit der hybriden Kommunikation. Im hybriden Raum müssen wir kommunizieren, kommunizieren, kommunizieren. Nicht nur, dass das inhaltliche Informationsaufkommen steigt und damit auch die Kommunikation anwächst. Swantje Allmers, Michael Trautmann und Christoph Magnussen stellen in ihrem Buch On the Way to New Work [3]  fest, dass sich während der Corona-Zeit in Meetings verbrauchte Zeit um den Faktor 2,5 erhöht hat. Sie begründen diesen Kommunikations- und Informationsanstieg mit der vergrößerten Intensität der Zusammenarbeit und der damit gestiegenen Notwendigkeit des Austauschs. „Wir arbeiten heute 50% mehr mit anderen zusammen als noch vor 20 Jahren.“

Es muss auch mehr kommuniziert werden, weil unsere zwischenmenschlichen Begegnungen anders sind. Alles, was uns durch das Hybride wegfällt, müssen wir anders, expliziter kommunizieren. Können wir also nicht mehr so gut einschätzen, wie es Kolleg:innen geht, müssen wir nachfragen. Können wir durch geschlossene oder offene Bürotüren nicht mehr erkennen, ob jemand verfügbar und/ oder ansprechbar ist, müssen wir andere Informationswege etablieren. Begegnen wir uns nicht mehr so oft in den Kaffeeküchen, Fluren und Cafeterien, müssen wir hybride Räume schaffen, um die Begegnungen zu ermöglichen. Kommunikation ist wesentlich, um Verbindung zu halten, Zugehörigkeit zu schaffen und Orientierung zu geben.

Das alles braucht Zeit. Die Führungskräfte, die ich in meinen Seminaren erlebe, haben diese Zeit einfach nicht. Sie hetzen von Online-Sitzung zu Online-Sitzung, das Arbeitsaufkommen steigt immer mehr und die vielen Veränderungen in den Organisationen, neben der digitalen Transformation, müssen gestaltet werden. Wenn die Zeit nicht zur Verfügung steht, müssen wir fragen, wie wir zu dieser Zeit kommen. Denn wenn wir uns die Zeit nicht nehmen, rauben uns die Folgen, wie beispielsweise Unzufriedenheit, eskalierende Konflikte und Mitarbeiter:innen-Fluktuation, noch viel mehr Zeit.

Und zu guter Letzt sind für unsere hybride Kommunikation viele neue Werkzeuge dazugekommen. Diese sinnvoll in unsere Kommunikation zu integrieren, ist zwingend. Das Thema Werkzeuge habe ich ganz grundsätzlich oben bereits ausführlich beleuchtet.

Dem Themenfeld Kommunikation unterteile ich drei Einzelthemen:

  • (Hybride) Kommunikation
  • Beziehung stärken
  • Werkzeuge für Kommunikation

(Hybride) Kommunikation in der hybriden Arbeit

Eine gute hybride Kommunikation ist eine echte Herausforderung. Es ist viel zu beachten und einiges anders zu machen als in der analogen Kommunikation. Analoge Kommunikation eins zu eins in den Online-Raum beziehungsweise in den hybriden Raum zu übertragen, funktioniert leider nur eingeschränkt. Ich nutze immer das Bild eines neuen Dialektes, den wir lernen müssen. Wir können analog und nun müssen wir digital/hybrid lernen. Dann ist das Wurstbrot eben eine Wurstbemme. Vielleicht muss dieses Bild sogar noch schärfer formuliert werden. Wir lernen nicht nur einen neuen Dialekt, wir lernen sogar eine neue Sprache. Es ist also nicht nur die Wurstbemme, sondern das baloney sandwich.

Zum Thema Online- und hybride Kommunikation werde ich noch einen eigenen Blogbeitrag schreiben. Ich sehe hier so viele Verbesserungspotentiale. Bei diesem Thema werde ich leidenschaftlich. Ich finde es so bedauerlich, dass hybride Kommunikation in einem schlechten Licht dasteht. Das liegt aber vielfach nicht an der hybriden Kommunikation. Es liegt eher daran, dass die neue Sprache nicht gelernt wird und wir mit analog im hybriden Raum an Grenzen stoßen. Ich verweise hier schon mal auf den Artikel Online geht das nicht. An dieser Stelle schon mal ein paar grundlegende Hinweise zur Online-Kommunikation:

  • Für mich eine absolute Selbstverständlichkeit, es wird aber immer noch darüber diskutiert: Kamera an!: Ja, wenn die Technik es nicht hergibt, dann geht Bild nicht. Keine Frage. Aber das ist meistens nicht mehr der Fall. Ansonsten formuliere ich es für mich immer recht drastisch. Wenn ich in eine analoge Sitzung gehe, ziehe ich mir auch keine Tüte über den Kopf. Bei allen Vorbehalten, Bedenken und Unwohlsein: Wir müssen lernen, mit unserem Videobild zu leben und auch zu arbeiten.
  • Die Kameraposition muss stimmen: Eine gute Orientierung ist der goldene Schnitt. Wie oft sehe ich immer noch halbe Köpfe (Kamera zu hoch), nur eine Gesichtsseite (Kamera von der Seite), den Blick von oben oder von unten etc. Wir müssen unsere Gesichter so gut wie möglich ins Bild bringen, um uns zu zeigen und  zu sehen, was beim anderen passiert.
  • Das Licht muss stimmen: Es gibt so viele Varianten von guten, kleinen Lichtern, die unser Bild ausleuchten. Das ist nicht teuer, hat aber einen großen Effekt. Auch hier erlebe ich immer noch dunkle Gestalten vor grellem Hintergrund. Und auch die dämonisch von der Seite beleuchteten Teilnehmer:innen sind immer mal wieder dabei. Da macht es schwer bis ganz unmöglich, die Gesichtszüge zu erkennen.
  • Ich weiß, sie sind sehr beliebt und vielgenutzt. Ich empfehle trotzdem: Keine virtuellen Hintergründe. Hier schwimme ich wahrscheinlich gegen einen sehr starken Strom. Meine Begründung dafür:
    • Ganz banal: die meisten dieser Hintergründe sind technisch einfach nicht gut. Bei bestimmten Friseuren, einer bestimmten Farbwahl von Hintergrund und Kleidung, bei Bewegung etc. sind die Konturen unscharf und Teile des Körpers werden weggeschnitten. Damit sinkt die Realitätsnähe der Bilder, die wir sehen. Das verringert wiederum die Bindung zu den Personen auf dem Bildschirm.
    • Die Wahrnehmbarkeit der einzelnen Person auf dem Bildschirm wird geringer. Wenn ich Inhouse-Schulungen mache und die Teilnehmer:innen haben alle den gleichen firmeninternen Hintergrund, dann sehe ich nur noch eine einheitliche blaue, weiße oder graue Wand vor mir. Und wenn dann alle noch mit weißem oder dunklem Oberteil vor mir sitzen, ist eine Unterscheidung kaum noch möglich. Wie wollen wir so Beziehung zueinander schaffen?
    • Ein letzter Gedanke – mit dem virtuellen Hintergrund entsteht immer der Eindruck, dass ich etwas verstecke. Ich zeige mich nicht in meiner Umgebung, in der ich mich gerade befinde. Was verberge ich neben meinem Hintergrund noch? Mich zu zeigen, wie und wo ich bin, schafft Vertrauen. Die Bedeutung von Vertrauen in der Kommunikation und in der hybriden Arbeit habe ich schon angerissen.
  • Mein Hintergrund gehört zu meinem Online-Raum, den ich gestalten kann. Einen Präsenzraum gestalte ich auch für eine Besprechung, eine Sitzung oder ein Treffen. Ich schaffe Ordnung, rücke die Stühle zurecht und stelle wahrscheinlich auch noch einen Kaffee und Kekse hin. Das kann auch auf den Online-Raum übertragen werden. Ein Bild, ein Blumenstrauß, ein passendes Plakat zur Besprechung können den Hintergrund gestalten und schaffen eine Stimmung für die Kommunikation.
Und noch drei Gedanken zur Online-Kommunikation:
  • Wenn der Bildschirm mit einer Präsentation, einem WhiteBoard oder anderen Fenstern geteilt wird, dann nur so lange, wie es für die Informationsweitergabe erforderlich ist. Dann wieder auf die Teilnehmer:innen umschalten. Ich erlebe so manche Besprechungen, in denen über den gesamten Zeitraum die Bildschirmfreigabe aktiv ist und alle auf eine Folie gucken. Die Gesichter selbst sind in kleine Kacheln an der Seite verbannt. Ja, ich kann mir teilweise meine Videobilder auch individuell einstellen und die Gesichter größer sehen, aber machen das alle?
  • Für eine gute Online-Kommunikation brauchen wir Regeln und Vereinbarungen. Wir lernen die Sprache hybrid. Wir müssen also wissen, welche Grammatik dieser Sprache zu Grunde liegt. Ton aus ist bei den meisten verinnerlicht. Aber wie reagieren wir im Online-Raum auf Fragen, die an die Gruppe gestellt werden? Am Anfang meiner Seminare ist die Reaktion auf eine Frage von mir an die Gruppe meistens Schweigen und Stillstand. Ich frage dann oft zurück, ob mein Bildschirm eingefroren ist. Das bringt Bewegung auf den Bildschirm und die meisten Teilnehmer:innen verstehen, worauf ich hinaus möchte. Noch ein Beispiel: Wie gehen wir damit um, dass bei viel zu vielen Sitzungen die Teilnehmer:innen parallel E-Mails bearbeiten, telefonieren oder sich anderweitig beschäftigen? Ich nehme mich da gar nicht aus. So gibt es noch viele weitere Beispiele. Um dem zu begegnen, brauchen wir Vereinbarungen, Umgangsformen, Regeln, um unsere neue Sprache hybrid sicher sprechen zu können.
  • Beteiligen, beteiligen, beteiligen! Schon im analogen Raum sind Folienschlachten schlecht auszuhalten. Im Online-Raum wird es noch viel anstrengender und ineffektiver. Die Menschen haben im hybriden Raum deutlich mehr Möglichkeiten, sich mit paralleler Arbeit, Ablenkung und Unaufmerksamkeit einer Besprechung zu entziehen. Wir müssen ihre Aufmerksamkeit bei der Besprechung halten. Dafür müssen wir im hybriden Raum aber auch einiges tun. Online-Kommunikation kann so viel Spaß machen, wenn mehr beteiligt wird, wenn mehr Austausch möglich ist. Da stellt sich beispielsweise die Frage, ob denn eine reine Informationsweitergabe überhaupt im Rahmen einer Online-Sitzung erfolgen muss. Reicht es nicht aus, in der Sitzung über die Informationen zu diskutieren und Fragen zu beantworten? Die Information selbst kann sich Jede:r zu dem für ihn/ ihr passenden Zeitpunkt im Vorfeld erlesen oder ersehen. Das bedeutet eine Verlagerung der Information in eine asynchrone Kommunikationsform sowie mehr Selbststeuerung und -verantwortung. Nun zurück zum Beteiligen: Allein zwischendurch kurze Rückfragen stellen, ist Beteiligen. Jede:n in die Kommunikation einbeziehen und auch mal direkt ansprechen, Check-In und Check-Out – alles Beteiligung.

Wie oben schon gesagt, hier werde ich leidenschaftlich. Ich finde es persönlich so schade, immer wieder zu hören, was online alles nicht geht. Ich denke, online geht viel mehr, als gedacht, wenn wir die neue Sprache kennenlernen, beherrschen und auch anwenden. Online/ hybrid ist auch nicht die ungeliebte kleine Schwester von Analog. Online/ hybrid ist anders, mit Vorteilen, Nachteilen und Herausforderungen. Genauso wie analog.

Hybride Teamarbeit

Mehr Mut, neue Sprache hybrid zu erlernen und auszuprobieren!

Beziehung stärken in der hybriden Kommunikation

Das Thema (Online-)Kommunikation möchte ich mit dem Gedanken abschließen, dass unsere Kommunikation im hybriden Raum nicht nur sachorientiert sein muss. Wir sollten im Hybriden Räume schaffen, um uns auf der Beziehungsebene zu begegnen. Hier gibt es die oft recht ungeliebten virtuellen Kaffeerunden. Keiner will mehr Zeit im Online-Raum verbringen als notwendig. Absolut nachvollziehbar. Aber vielleicht gibt es noch andere Möglichkeiten als Kaffeerunden. Am Ende geht es um die Verbindung im hybriden Raum. Hier ein paar Ideen:

  • Die ersten 10 Minuten einer Sitzung dienen dem Smalltalk. BreakOut-Räume sind offen und die Teilnehmer:innen können zwischen den Räumen wechseln und sich begegnen.
  • Pausen in Online-Sitzungen werden gezweiteilt:
    • den ersten Teil verbringt jede:r für sich zum Kaffeeholen und Sonstigem.
    • Der zweite wird in offenen BreakOut- oder im Hauptraum gemeinsam verbracht und dient zum Austausch.
  • Check-Ins und Check-Outs werden zum festen Bestandteil von hybriden Sitzungen.
  • Gemeinsame Arbeitssessions im hybriden Raum.
  • Kaffeeküchen- oder SmallTalk-Kanäle im Chat.
  • Lunch-Roulette, hybride Fitness-Pausen, hybride Mittagessen etc.

Voraussetzung bei alledem ist ein Verständnis für die Notwendigkeit sowie die Bereitschaft zur hybriden Kommunikation.

Und zum Schluss: Präsenz-Zeiten sind Beziehungszeiten. Wenn wir uns im Präsenzraum treffen, dann nutzen wir diese Zeit ganz bewusst für die Beziehungsstärkung: Kommunikation, Austausch, Zusammensein. Ich vergleiche die Präsenzzeiten von hybriden Teams gern mit der Quality Time mit Kindern oder dem/ der Partner:in.

Werkzeuge für die hybride Kommunikation

Neben den „alten“ Werkzeugen wie E-Mail und Telefon sind eine ganze Menge neuer Werkzeuge für die hybride Kommunikation dazugekommen:

  • Videokonferenzsysteme
  • WhiteBoards
  • Chat-Werkzeuge
  • Umfrage-Werkzeuge
  • Pinnwände
  • E-Learning- und Konferenzplattformen
  • E-Akte etc.

Ich beziehe in diese Aufzählung sehr bewusst auch die E-Akte oder WhiteBoards mit ein. Denn über diese Werkzeuge findet auch Kommunikation statt. Es ist eine asynchrone Kommunikation, aber letztendlich werden Informationen ausgetauscht und Zusammenarbeit unterstützt.

Seminarteilnehmer:innen berichten mir immer wieder von einem Kommunikations- und Informationswirrwarr. Informationen gleichen Typs werden mal per E-Mail, mal für Chat, mal per Videokonferenz zur Verfügung gestellt. Im schlimmsten Fall sogar in allen Kanälen, damit die Information auf jeden Fall ankommt. Es ist gar nicht mehr klar, wo was hingehört und wo was gefunden werden kann. Das erzeugt Unsicherheit, Mehraufwand und vor allem Frust.

Auch werden Kommunikationswerkzeuge nicht ihrem Zweck entsprechend genutzt. Dazu zwei kleine Beispiele:

  • In einer Videokonferenz werden eine Stunde lang Fakten vorgetragen. Die Teilnehmer:innen langweilen sich, steigen irgendwann aus und bearbeiten ihre E-Mails. Der Effekt geht gegen null. Warum nicht solche Fakten in einer Pinnwand, WhiteBoard oder Chat veröffentlichen? Jeder kann sich die Informationen abholen, wann es passt, muss es dann aber auch tun.
  • Per E-Mail wird ein Teamworkshop geplant. Die E-Mail, die einen großen cc-Verteiler hat, wird immer länger. Der Überblick zur Diskussion geht verloren. Eine Beteiligung an der Diskussion sparen sich viele, da die vielen guten Ideen in dem E-Mail-Wirrwarr untergehen. Mit der Beteiligung an der Kommunikation sinkt auch das Engagement am Workshop. So etwas gehört in eine Videokonferenz, in eine hybride Sitzung oder einen gut geführten Chat.

Hier landen wir wieder bei der Struktur. Auch in die hybride Kommunikation und die vielen Werkzeuge müssen wir Struktur bringen. Mögliche Ansätze dafür können sein:

  • Media Richness Modell: Die Komplexität des Sachverhaltes bestimmt das Kommunikationswerkzeug. Einfache Informationen und Sachverhalte können mit E-Mails gehandhabt werden. Je komplexer es wird, desto „reichhaltiger“ muss das Tool sein.
  • Dieser Ansatz kann auch auf die Beziehungsorientierung übertragen werden. Je weniger die Beziehungsebene angesprochen wird, desto einfacher ist der Sachverhalt, desto einfacher kann das Werkzeug sein. Reine Sachinformationen können kurz und knapp per E-Mail versendet werden. Problem- oder gar Konfliktdiskussionen gehören maximal in den Videoraum, aber auf keinen Fall in eine E-Mail oder einen Chat.

In meinen Seminaren empfehle ich an dieser Stelle die Erarbeitung einer Medienmatrix für das Team, die Gruppe oder die ganze Organisation. In der Medienmatrix wird festgelegt, welche Informationen in welchen Kanal gespielt werden. Ergänzt werden diese Festlegungen mit Kommunikationsregeln, beispielsweise: wie schnell wird auf E-Mails geantwortet, wie gehen wir mit cc um, wie agieren wir im Chat und wie gestalten wir asynchrone Kollaborationsarbeit auf einem Board.

OSEK-V: Hybride Arbeit braucht VERTRAUEN

Der letzte, aber vielleicht wichtigste Themenbereich von OSEK-V ist VERTRAUEN. Für die hybride Zusammenarbeit ist Vertrauen die Grundlage. Mit Strukturen und Regeln kann ein Rahmen geschaffen, mit Kommunikation eine Konflikteskalation reduziert und mit Entwicklungsmaßnahmen hybride Arbeit erlernt werden. Fehlendes Vertrauen ist aber das Salz in der Suppe. Nur mit echtem Vertrauen nutzen wir das Potential von hybrider Arbeit. Fehlendes Vertrauen erschwert die Zusammenarbeit, schafft Mehraufwände und verbraucht unnötige Ressourcen.

Warum?

  • Kommunikation: In hybriden Teams ist die Kommunikation auf digitale Kanäle angewiesen, wie E-Mails, Chats oder Videokonferenzen. Die Lücken an Information werden mit Interpretationen und Verzerrungen geschlossen. Ohne Vertrauen in die anderen kann sich schnell eine Abwärtsspirale reiner Negativinterpretation und letztendlich in den Konflikt entwickeln. Das wird teuer.
  • Zusammenarbeit: Vertrauen in der Zusammenarbeit ermöglicht den offenen Umgang mit Informationen, Ideen, Fragen, Unsicherheiten, Fehlern usw. Fehlt das Vertrauen, wird verschleiert und zurückgehalten. Das ist wie eine angezogene Handbremse für das Team. Hybride Zusammenarbeit begünstigt diesen Rückzug. Das kann einen deutlichen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit von Teams und Gruppen haben.
  • Motivation und Wohlbefinden: Vertrauen trägt zum Wohlbefinden der Teammitglieder bei und wirkt sich positiv auf ihre Motivation aus. Wenn sich die Teammitglieder sicher fühlen, können sie sich besser auf ihre Aufgaben und auf ihre Arbeit konzentrieren, anstatt sich über zwischenmenschliche Probleme oder Unsicherheiten Gedanken machen zu müssen.

Hybride Zusammenarbeit bedeutet deshalb kontinuierliche Vertrauensarbeit. Vertrauensarbeit beinhaltet unter anderem:

  • Transparenz schaffen:
    • Verfügbarkeiten, Abwesenheiten
    • Anforderungen, Wünsche, Bedürfnisse
    • Zuhören, Fragen, offen bleiben
  • Störungen sofort ansprechen und aufklären
  • Gleichberechtigung von analog und digital
  • Orientierung, Richtung, Wertschätzung, Gestaltungsmöglichkeiten geben
  • Zugehörigkeit schaffen
    • Ehrlich sein
    • Stärkung der Beziehungsebene der Teammitglieder
    • Präsenzzeiten sind Beziehungszeiten
    • Check-In und Check-Out in hybriden Treffen
    • Möglichkeiten zum informellen Austausch

Und nun?

Viel Text, viele Gedanken. Und nun? Was tun, um hybride Arbeit in der Organisation zu etablieren? Ich leite für mich drei abschließende Gedanken aus dem OSEK-V-Modell (fünf Themenfelder für die Hybride Arbeit) ab:

1: Hybride Arbeit ist Teil der Digitalen Transformation

Die Integration hybrider Arbeit ist Teil der digitalen Transformation. Mit Blick auf den Digitalisierungseisberg liegt dabei der größte Teil der Veränderung, die mit der hybriden Arbeit in Organisationen stattfindet, unter der Wasseroberfläche – Strukturen, Prozesse, Kompetenzen, Fähigkeiten, Haltung und Kultur.

Die Einführung Hybrider Arbeit muss als Veränderungsprozess im Kontext der Digitalen Transformation betrachtet und begleitet werden.

2: Habt Mut! – bei der Gestaltung Eurer hybriden Arbeitswelt

Um hybride Arbeit wirkungsvoll umzusetzen, braucht es neue Ideen, Strukturen und Verhaltensweisen. Die Fragen …

  • Machen wir die Dinge richtig?

und

  • Machen wir die richtigen Dinge?

… sollten dabei immer wieder gestellt werden. Machen wir im hybriden Raum mehr vom Selben? Oder haben wir Mut, experimentieren und lernen gemeinsam? Das schafft Akzeptanz und Erfolg für das Neue.

3: Haltung schlägt Tool – Hybride Arbeit braucht eine Grundhaltung.

Für die erfolgreiche hybride Arbeit müssen wir über Haltung und Kultur sprechen. Mit den äußeren Veränderungen der hybriden Arbeit in Form von Strukturen, Prozessen und Regeln müssen sich auch die inneren Strukturen der Organisation und jedes Einzelnen verändern. Diese innere Struktur sind Kultur und Mindset. Die Einführung von hybrider Arbeit ist Kultur- und Verhaltensveränderung.

Quellen:
[1] „Die Verwaltung im Homeoffice – Die Verwaltung ist sich einig – hybride Arbeitsmodelle sind notwendig und möglich“ – PwC-Studie, 2021

[2] „New Work needs Inner Work – Ein Handbuch für Unternehmen auf dem Weg zur Selbstorganisation“ – Joana Breidenbach und Bettina Rollow, September 2019

[3] „On the Way to new Work – Wenn Arbeit zu etwas wird, was Menschen stärkt“ – Swantje AllmersMichael TrautmannChristoph Magnussen, März 2022

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