azc Blogbeitrag

Weitere Blogbeiträge

Online-Kommunikation

Online geht das nicht!

Oder doch?

Die meisten von uns können gar nicht mehr zählen, in wie vielen Videokonferenzen sie seit zwei Jahren gewesen sind: Besprechungen, Workshops, Schulungen, Teamentwicklungsmaßnahmen, virtuelle Kaffeerunden etc. An manchen Tagen schalten sich einige von einer Sitzung in die nächste. Es gibt zwischen den Terminen kaum Zeit, sich frisch zu machen oder sich ein wenig zu bewegen, geschweige denn, die Termine vor- oder nachzubereiten. Oftmals sind Online-Veranstaltungen auch noch langweilig. Ein Präsentationschart nach dem anderen wird vorgelesen, die Teilnehmer:innen sehen sich nur zum Teil, es reden immer die gleichen … Es kommen kein richtiger Austausch, keine Beteiligung und keine zwischenmenschliche Verbindung auf. Von den Teilnehmer:innen in meinen Online-Veranstaltungen höre ich immer wieder:

„Inhalte besprechen geht ja ganz gut im Online-Raum. Aber wenn es um Gefühle geht, um die Nähe zu anderen, wenn es auch mal schwierig wird, dann funktioniert online einfach nicht.“ 

Im März 2020 habe ich mein erstes Online-Seminar durchgeführt. In meiner Anfangseuphorie war ich überzeugt, dass eigentlich alles im Online-Raum möglich ist. Auch im Online-Raum kann Verbindung zwischen den Gesprächspartner:innen aufgebaut werden, können wir Spaß haben, schwierige Gespräche führen und gemeinsam Lösungen entwickeln. Selbst in Coachings kann eine hohe Intensität und Nähe aufgebaut werden.

In den letzten Monaten spürte ich aber auch bei mir Schritt für Schritt eine wachsende Skepsis. Wenn es um Teamentwicklung, Problemdiskussion oder Entwicklung neuer Ideen geht, wurde es auch für mich im Online-Raum oftmals schwer. Ich spürte die fehlende Verbindung, die Online-Müdigkeit und eine steigende Resignation. Andererseits erlebte ich aber auch intensive und emotionale Workshops, bei denen die Grenzen im Online-Raum so gut wie gar nicht zu spüren waren.

Warum funktioniert es also manchmal und dann wieder so gar nicht?

Aus meinen Online-Erfahrungen der letzten zwei Jahre habe ich für mich folgende Erklärungen abgeleitet:

  • Online-Kommunikation bedarf einer veränderten Kommunikation: Nicht alles, was wir aus analogen Workshops, Sitzungen etc. kennen, funktioniert im Online-Raum. Wir müssen uns mit der neuen Kommunikationsform auseinandersetzen, die Besonderheiten und die neuen Kommunikationsmethoden für den Online-Raum verstehen. Wir müssen eine neue Sprache lernen: die hybride Sprache. Die neue Sprache fängt bei der Kamera- und Sitzposition sowie der Gestaltung des eigenen Bildausschnittes an. Es geht weiter mit Methoden zur Aktivierung und Beteiligung von Teilnehmer:innen im Online-Raum, Methoden zur Strukturierung von Online-Veranstaltungen, Methoden für Feedback und Kommunikation von Emotionen etc. Und es endet bei der Neustrukturierung der Kommunikation in synchrone und asynchrone Kommunikationsmittel. So ist beispielsweise die Frage zu stellen, ob wir all diese Online-Sitzungen brauchen oder ob nicht ein Teil der Kommunikationsbedarfe in asynchrone Kommunikationwerkzeuge, wie Chat, WhiteBoards oder anderen Kollaborationswerkzeugen überführt werden kann.
  • Online-Kommunikation bedarf ausreichender Technik: Und mit Technik ist nicht nur ein Notebook (inklusive Kamera) und ein Videokonferenzsystem gemeint. Ausreichende Technik bedeutet der Einsatz von Kollaborationswerkzeugen für die Online-Zusammenarbeit, die Bereitstellung von Fachverfahren, die Verfügbarkeit moderner Kommunikations- und Videotechnik. Ohne ausreichende Technik werden die Kommunikationskanäle und -funktionalitäten, die uns der Online-Raum bietet, beschnitten. Das frustriert, denn die potentiell mögliche Kommunikation und Zusammenarbeit wird gar nicht ausgeschöpft. So, als würde ein modernes Smartphone ausschließlich zum Telefonieren genutzt werden.
  • Online-Kommunikation bedarf einer digitalen Kompetenz: Die Bereitstellung ausreichender Technik ist notwendig, um Online-Kommunikation überhaupt erst einmal „zu ermöglichen“. Diese Technik muss dann aber auch bedient und genutzt werden. Dafür muss die notwendige Kompetenz aufgebaut werden. Mit der Bereitstellung von Technik müssen den Mitarbeiter:innen entsprechende Schulungsangebote erhalten, um die neue digitale Welt kennenzulernen.
  • Online-Kommunikation bedarf Spielregeln: Die Spielregeln für die Online-Kommunikation sollten im Team und/ oder in der Gesamtorganisation vereinbart werden. Zu diesem Rahmen gehören beispielsweise Vereinbarungen, wie wir im Online-Raum zusammenarbeiten und kommunizieren. Arbeiten wir mit Handzeichen oder lassen wir es zu verbalen Auffahrunfällen kommen? Wie beteiligen wir uns an der Online-Arbeit? Schauen wir nur stumm auf den Monitor? Oder wirken wir aktiv mit, geben Handzeichen, zeigen wir Bestätigung mit Kopfnicken, reagieren wir auf Fragen etc.? Wie gehen wir mit der parallelen Bearbeitung von E-Mails und Telefonaten um? Eine immer noch viel diskutierte Frage ist das Einschalten der Kamera. Von meiner Seite ein ganz klares „Kamera an!“. Und wenn möglich, Verzicht auf den viel geliebten virtuellen Hintergrund.
  • Online-Kommunikation bedarf einer Offenheit und Bereitschaft: Online-Arbeit und -Kommunikation ist neu. Es ist eine Veränderung vom Gewohnten. Selbst wenn wir nun schon seit zwei Jahren in Videokonferenzen und anderen Formaten arbeiten, ist es immer noch neu. Und die Veränderung ist nicht unbedingt das, was wir wollen. Das Lernen der neuen Sprache Online (oder auch hybrid) bedarf aber einer gewissen Offenheit. Deshalb sollten wir in unseren Online-Formaten immer mal was Neues probieren, ein bisschen experimentieren. In den meisten Fällen kann es dadurch eigentlich nur besser werden. Und wenn etwas nicht klappt, dann heißt es: ScheiterHeiter! Beim nächsten mal machen wir es anders.
  • Am Ende bedarf es einer guten Mischung: Die Zeiten, in den wir ausschließlich im Online-Raum arbeiten und kommunizieren, gehen glücklicherweise langsam dem Ende zu. Die reine Remote-Zusammenarbeit geht in die hybride Zusammenarbeit über. Das heißt, wir werden eine gute Mischung zwischen Online und Präsenz finden, das Beste aus beiden Welten nutzen. Aber hier noch einmal mein Wunsch: Online geht mehr, als wir vielleicht aktuell annehmen. Deshalb den Online-Anteil nicht zu sehr runterschrauben. Auf der anderen Seite aber den Präsenzanteil auch wieder in vollen Zügen genießen. Präsenzzeit heißt Beziehungszeit. Wir hatten es zu lange nicht.

Letztendlich ist die Gestaltung von Online-Kommunikation ein wichtiger Bestandteil der digitalen Transformation in Organisationen. Ohne effektive und effiziente Online-Kommunikation (inklusive einer großen Portion Spaß) wird mobiles Arbeiten beziehungsweise HomeOffice kritisch betrachtet. Ohne organisatorische Einbettung, werden die Möglichkeiten und neuen Funktionalitäten der digitalisierten Kommunikation nicht genutzt. Vielmehr wird bekannte und geübte Präsenz-Kommunikation in den Online-Raum überführt. Das stößt an Grenzen.

Mein Fazit: Dran bleiben, neues ausprobieren, Möglichkeiten aufzeigen und weiterhin mit großer Offenheit an dieses neue Format unserer Zusammenarbeit herangehen.

Mehr dazu in meinem Seminar: Online-Kommunikation

Nächster Beitrag
Der Geist ist aus der Flasche …